Neue Herausforderungen: Standards, Notwendigkeiten und Erwartungen belasten Industrie 4.0

Neue Herausforderungen: Standards, Notwendigkeiten und Erwartungen belasten Industrie 4.0
25. Aug. 2016 | von V. Georgieva

Heute setzen wir unsere Serie zum Thema Industrie 4.0 mit einem weiteren Blogeintrag zu den Herausforderungen fort, mit denen sich eine im Wandel befindliche Unternehmenswelt konfrontiert sieht. Wenn Sie die früheren Blogeinträge dieser Serie noch nicht gelesen haben, können Sie das nachholen, indem Sie folgende Beiträge aufrufen: eine allgemeine Einführung zu Industrie 4.0, die Faktoren, die das Aufkommen von Industrie 4.0 beeinflusst haben, was Kunden von Industrie-4.0-Lösungen erwarten; wie der 3D-Druck die Herstellungsindustrie verändern wird, und schließlich der erste Blogeintrag, der sich mit den Herausforderungen beschäftigt, mit denen sich Industrie 4.0 konfrontiert sieht.

Eine der wichtigsten Hürden für eine digitalisierte Herstellung ist das Problem der Standardisierung. Standards sind von wesentlicher Bedeutung, um den reibungslosen Datenaustausch zwischen Maschinen, Systemen und Softwareprogrammen innerhalb einer vernetzten Wertschöpfungskette sicherzustellen, wenn sich ein Produkt durch eine zusammenhängende, intelligente Fabrikation bis hin zur endgültigen Fertigstellung forwärtsbewegt. Standards sind auch wichtig, wenn Roboter durch einfache Plug-and-Play-Funktionen in den Fertigungsprozess integriert werden sollen. Wenn jedoch Daten und Kommunikationsprotokolle urheberrechtlich geschützt sind oder nur national anerkannt sind, werden nur die Ausrüstungen einiger weniger Firmen miteinander kompatibel sein, sodass Wettbewerb und Handel darunter leiden und auch die Kosten steigen. Auf der anderen Seite können unabhängige, gemeinsam festgelegte und international normierte Kommunikationsprotokolle, Datenformate und Schnittstellen die Interoperabilität (d.h. Kompatibilität) über Sektoren und Länder hinweg sicherstellen. Auf diese Weise kann die breit angelegte Einführung von Industrie-4.0-Technologien angeregt werden und für europäische Hersteller und Produkte der Zugang zu internationalen Märkten ermöglicht werden. Die Notwendigkeit, Anforderungen der Standardisierung zu antizipieren und deren Entwicklung zu beschleunigen, wurde in einer Studie des Joint Research Centre besonders hervorgehoben.

Auch die Arbeiterschaft und der Stellenmarkt kämpfen darum, sich auf die veränderten Anforderungen in der Herstellungsindustrie einzustellen. Die für die Fabrikation erforderlichen Kompetenzen haben sich von manueller Arbeit hin zu hochqualifiziertem Programmieren und zur Steuerung von komplexen Maschinen gewandelt. Mitarbeiter mit geringen Qualifikationen laufen deshalb in höherem Maße Gefahr, ersetzt zu werden, es sei denn, sie lassen sich umschulen. Mitarbeiter, denen der Übergang zur Industrie 4.0 gelingt, dürften dann allerdings interessantere bzw. weniger beschwerliche Tätigkeiten ausüben. Arbeitgeber benötigen kreatives Personal nicht nur mit Entscheidungskompetenzen, sondern auch mit technischer und ICT-Expertise (ICT=Information and Communication Technologies). Nach Auskunft der Europäischen Kommission dürfte es auf den Arbeitsmärkten in der Europäischen Union (EU) im Jahre 2020 einen Mangel von mehr als 800.000 ICT-Experten geben; dieser Mangel dürfte bei hochmodernen Fertigungsverfahren allerdings noch ausgeprägter sein, wo Datenanalysten und Experten für Cybersicherheit gebraucht werden. Manche dieser Erfordernisse kann man vielleicht an externe Provider auslagern, die sich auf die notwendige Expertise spezialisiert haben und ihre Dienste mehr als nur einem Kunden anbieten können. Gleichwohl sollten mehr junge Leute ihr Studium und ihre Karriere im ICT-Bereich planen, wenn die personellen Erfordernisse erfüllt werden sollen. Leider zeigen Erhebungen, dass nur wenige junge Leute, auch wenn sie sich dieser Marktansprüche bewusst sind, entsprechende Karrieren verfolgen. Nach einer Erhebung waren es nur 13% der jungen Erwachsenen in Deutschland, die definitiv eine Karriere im ICT-Bereich in Betracht zogen, obwohl den meisten der Befragten bewusst war, dass dieser Bereich die besten Berufsaussichten bietet.

Schließlich steht die neue industrielle Revolution auch noch vor der Gefahr übertriebener Erwartungen und eines Mangels an Verständnis. Der von der Gartner Group herausgegebene „Hype Cycle for Emerging Technologies" für 2014 listet viele der Technologien, die mit Industrie 4.0 in Verbindung gebracht werden (einschließlich Maschine-zu-Maschine-Kommunikation oder m2m; Big Data, Internet of Things und intelligente Roboter) ganz oben in ihrer Liste übertriebener Erwartungen („inflated expectations“), da sich deren Anwendung auf dem breiten Markt erst in fünf bis zehn Jahre auszahlen werde. Derselbe Bericht für 2015 listet analytische Informationssysteme an der Spitze der „inflated expectations“ und stellt fest, dass Mobilität, Wirtschaftsinformatik (digital business) sowie Maschinen mit künstlicher Intelligenz (smart machines) sich auch der Spitze dieser Liste nähern, während Big Data bereits im Mainstream angekommen ist, seinen Medienrummel bereits wieder eingebüßt hat und bereits für Ernüchterung sorgt. Schlicht gesagt: Obwohl all diese Technologien die Industrie in messbarer Weise oder vielleicht sogar durchgreifend verändern werden, wird die Realität am Ende des Tages selten die hochgestochenen Erwartungen rechtfertigen. Übertriebene Erwartungen hinsichtlich Industrie 4.0 könnten also für viel Verdrossenheit und auch reale Verluste sorgen – wie bei der Dot-com-Blase, dem berühmtesten Beispiel übertriebener Erwartungen. Die Unternehmenswelt sollte sich also realistische Ziele für eine Transformation im Sinne von Industrie 4.0 setzen, um den wirklichen Nutzen nicht zu versäumen – aus Enttäuschung und Entzauberung darüber, dass die unrealistischen Erwartungen nicht erreicht werden konnten.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen Mangel an Verständnis, was daran liegen dürfte, dass die Industrie 4.0 Konzepte zu vage definiert oder zu allgemein gefasst werden, um nachvollziehbar zu sein. Der bereits erwähnte 2015 Gartner-Bericht besagt, dass „das Internet of Things (IoT) einen umfassenden Bereich darstellt, der segmentiert werden sollte, um sinnvoll zu sein“. Gleichwohl ist IoT ja selbst nur ein einzelner Aspekt des ganzen Industrie 4.0-Trends. Somit ist das Konzept, das wir Industrie 4.0 nennen, überhaupt schwer zu definieren und zu erfassen. Die Versuchung ist groß, es nur als ein weiteres aktuelles Schlagwort zu begreifen.

Im nächsten Blogeintrag werden wir die Frage behandeln, wie algorithmica technologies und dessen Lösungen in die Industrie-4.0-Landschaft integriert werden können, bevor wir dann unseren Erkundungs-Ausflug in die Welt der Industrie 4.0 abschließen.

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